Pressemitteilung des Runden Tischs Grundeinkommen (Österreich) vom 25. August 2015
Woche des Grundeinkommens setzt starkes Zeichen gegen Angriff von ÖVP und Industriellenvereinigung auf Arbeitslose und Arbeitende
„A Safety Net for Life“ ist das Motto der diesjährigen internationalen Grundeinkommenswoche von 14. bis 20. September 2015. Erstmals auch Beteiligung außerhalb Europas. Mit über 40 Veranstaltungen in mehr als 20 Orten in allen Bundesländern Österreichs treten Befürworter*innen des Grundeinkommens dem jüngsten Angriff auf Arbeitslose und Arbeitende durch Schelling und die Industriellenvereinigung entgegen. Gewerkschaften und Sozialarbeiter*innen steigen in Debatte ein. Performance am Heldenplatz.
Vorbild Deutschland? Hungern wegen/gegen Hartz IV
Nach der Industriellenvereinigung im Juni forderte Finanzminister Schelling Ende Juli das deutsche Hartz IV-Modell für Österreich. In Deutschland hungert zur gleichen Zeit der Grundeinkommensaktivist Ralph Boes bereits über ein Monat lang wegen und gegen Hartz IV. Für Boes, der letztes Jahr während der 7. Grundeinkommenswoche in Wien zu Gast war, ist Hartz IV nicht nur eine Entwürdigung und Entrechtung von Erwerbsarbeitslosen, sondern vor allem auch ein Angriff auf alle Arbeitenden, um Löhne zu senken und einen Niedriglohnsektor zu schaffen.
Eine Woche für eine andere Erzählung über Arbeitslosigkeit
Mit über 40 Veranstaltungen bundesweit wolle man in der Aktionswoche die Kräfte bündeln, so Klaus Sambor vom Runden Tisch – Grundeinkommen, um der herrschenden Perspektive auf Erwerbsarbeitslosigkeit entgegenzutreten.
„Arbeitslosigkeit ist ein Sieg. Diese andere Perspektive auf die steigende Erwerbsarbeitslosigkeit teilte auch der bekannte Soziologe Ulrich Beck, der heuer im Jänner verstarb. Für ihn war Vollbeschäftigung eine Illusion, weshalb er sich – nach ursprünglicher Gegnerschaft – klar für das BGE aussprach, um das eigentliche Problem der Einkommenslosigkeit zu lösen“, erklärt Sambor.
BGE verbindet Sicherheit und Freiheit
Die gegenwärtige Mehrfachkrise wird laut der Organisatoren der Aktionswoche von den Menschen weltweit auf ganz unterschiedliche Art wahrgenommen. Mit dem Motto „A Safety Net for Life“ soll das Bedingungslose Grundeinkommen daher als undurchlässiges Netz in die öffentliche Diskussion kommen, das solidarisch allen Sicherheit gibt und gleichzeitig mehr individuelle Freiheit ermöglicht. Der Runde Tisch – Grundeinkommen koordiniert heuer erstmals in Österreich die Themenwoche, zu der das europaweite Grundeinkommensnetzwerk UBI-Europe (Unconditional Basic Income Europe) aufruft.
Ängste nehmen und Hass gegen „andere“ verhindern
„In einer Welt, in der Arbeit zunehmend durch Flexibilität, Unsicherheit und Prekarität gekennzeichnet ist, kann ein Grundeinkommen Ängste lösen, die Menschen für Hass und Gewalt gegen ‚andere’ empfänglich machen,“ so heißt es im Aufruf zur Aktionswoche.
Prekär: Gewerkschaften und das Grundeinkommen
In Österreich treten heuer Gewerkschaften im Rahmen einer international besetzten Podiumsdiskussion im Burgkino Wien in den Dialog über das Grundeinkommen ein (19.9.). Seit den 1970er Jahren haben sich Arbeits-, Produktions- und Verwaltungsprozesse stark verändert. „Durch die neoliberalen Veränderungen ist der Druck auf die Menschen enorm gestiegen. Die Arbeitswelt ist geprägt von Unsicherheit, Verlust und Selbstzwang,“ erklärt Klaus Sambor. Er wird neben Krastoy Petkov (Präsident der Union der Ökonomen, Bulgarien), Kurt Regotz (Zentralsekretär der Gewerkschaft SYNA, Schweiz), Thomas Morgenroth (Eidgenössische Initiative Bedingungsloses Grundeinkommen, Schweiz), Werner Rätz (Attac Deutschland) und David Mum (Leiter der Grundlagenabteilung der GPA-djp, Österreich) am Podium sitzen. Es steht zur Diskussion, ob das Bedingungslose Grundeinkommen als neue Forderung die Gewerkschaft in prekären und flexibilisierten Zeiten erneuern kann oder ob es die Rolle der Gewerkschaften weiter schwächen würde.
In der ÖGB-Buchhandlung in Wien wird der Sammelband „Arbeit: Wohl oder Übel?“, herausgegeben vom Club of Vienna (2015, Mandelbaumverlag), präsentiert (14.9.). Es diskutieren ÖGB-Vizepräsidentin Renate Anderl, Soziologe Paul Kellermann (Alpen-Adria-Universität Klagenfurt), Ursula Holtgrewe (FORBA – Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt) und Margit Appel (ksoe – Katholische Sozialakademie Österreichs) über „Diagnosen und Utopien“.
Soziale Arbeit und das Grundeinkommen
Nachdem die kanadische Vereinigung der Sozialarbeiter*innen (CASW) 2014 in einem Bericht die Regierung aufforderte, sich näher mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen als Erneuerung des Sozialsystems zu beschäftigen, beteiligt sich heuer der Österreichische Berufsverband Soziale Arbeit (obds) mit einer Podiumsveranstaltung im Rahmen der Aktionswoche am Dialog über das Grundeinkommen (17.9.). Von der Österreichischen Gesellschaft für Soziale Arbeit diskutiert Vizepräsidentin Andrea Trenkwalder-Egger in Innsbruck mit dem ehemaligen Europaparlamentarier und Grundeinkommensbefürworter Sepp Kusstatscher von den Südtiroler Grünen (14.9.).
Grundeinkommen in Kino und Rundfunk
Bereits im Juni startete der Runde Tisch – Grundeinkommen die Kampagne “Bring’ das Grundeinkommen ins Kino”. Die Dokumentationen „Grundeinkommen – ein Kulturimpuls (Schweiz | 2008 | Daniel Häni und Enno Schmidt) und „Frohes Schaffen: Ein Film zur Senkung der Arbeitsmoral“ (Deutschland | 2012 | Konstantin Faigle) werden nun in Kinos in Bregenz, Dornbirn, Innsbruck, Salzburg, Wels, Linz, Freistadt, Steyr, Grein, Amstetten, Horn, Wien, Oberpullendorf, Fohnsdorf, Kapfenberg, Graz, Gleisdorf und Leibnitz gezeigt. Für anschließende Publikumsgespräche wurden Expert*innen wie Zukunftsforscher Klaus Kofler (17.9.), Sozialwissenschafterin Brigitte Kratzwald (14.9., 17.9.), Theologe Markus Schlagnitweit (16.9.) und Arbeitslosenaktivist Wolfgang Schmidt (16.9.) eingeladen. Von wie vielen Seiten es Interesse am Grundeinkommen gibt, zeigt sich in Salzburg. Dort stellt sich der erst im Herbst 2014 gegründete „Arbeitskreis Grundeinkommen Salzburg“ mit Mitgliedern aus der Linken, ATTAC sowie den Evangelischen und Katholischen Hochschulgemeinden der Publikumsdiskussion.
Die Fernsehsender OKTO (19.9.) und FS1 (16.9.) strahlen den Film-Essay „Grundeinkommen – ein Kulturimpuls“ in der Themenwoche in Wien und Salzburg aus. Radio Helsinki bringt in Graz eine Livesendung zur Frage, was das Grundeinkommen für die Kunst bedeuten würde (15.9.).
Performance-Künstler*innen begrüßen weltweites Grundeinkommen am Heldenplatz
Am Samstag lädt Sidy Mamadou Wane Musiker*innen, Rapper*innen, Gitarristen, Trommler*innen, Gebärdensprachensprecher*innen, Redner*innen und andere Performance-Künstler*innen auf den Heldenplatz ein, um mit ihm gemeinsam das weltweite bedingungslose gleiche Grundeinkommen mit einer Performance zu begrüßen. SidY organisierte bereits im Rahmen der Wienwoche 2012 “1.000 Trommeln für ein weltweites bedingungsloses Grundeinkommen” im Märzpark.
Veranstaltungen in über 20 Orten in allen Bundesländern
Weitere Diskussionsveranstaltungen, Frühstücke, Straßenaktionen, Künstlerisches, Kleidertauschparty, sowie Heft- und Buchpräsentation sind in Wien, Graz, Klagenfurt, Kapfenberg, Steyr, Ramsau, Perchtoldsdorf und Heidenreichstein geplant. Der ehemalige Banker Helmo Pape erklärt in Waidhofen/Ybbs, warum er es sich antut, nun für das Grundeinkommen einzutreten (16.9.). Thematisch sind die Veranstaltungen weit gestreut. Es geht um das Grundeinkommen im Zusammenhang mit Ökologie, Feminismus, Finanzierung, Strategien zur Realisierung, Sozialstaat, bedarfsorientierter Mindestsicherung und Zeitgeld.
Prominente Unterstützung für BGE
Unternehmer Josef Zotter steht in Österreich nicht alleine da. Egal ob Schauspielerin Marion Mitterhammer oder Schauspieler Manuel Rubey, Musikerinnen Doris Mitterbacher alias mieze medusa, Eva Jantschitsch alias Gustav oder Musiker Franz Wenzl alias Austrofred, Kabarettist Reinhard Nowak oder die Autoren Kurt Palm und Stefan Griebl alias Franzobel, Historiker und beinahe Bundespräsidentschaftskandidat Raimund Bahr oder Österreichs jüngster Universitätsprofessor Clemens Sedmak, Mönch David Steindl-Rast oder Linzer Diözesanbischof Ludwig Schwarz, Philosoph Konrad Paul Liessmann oder Peter Heintel (17.9.) – sie alle haben etwas mit Zotter gemeinsam: Sie unterstützen die Forderung nach dem Bedingungslosen Grundeinkommen. Und die Liste ließe sich noch fortsetzen (siehe Infokasten unten).
Grundeinkommen kommt in österreichischer Politik an
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser forderte im Frühjahr 2015 zur SPÖ-internen Debatte auf. Aus Zeitgründen könne er sich jedoch nicht an der Aktionswoche beteiligen, ließ er der Initiative Bedingungsloses Grundeinkommen Kärnten/Koroška (iBGEk) ausrichten. Der VSStÖ verkündete im ÖH-Wahlkampf 2015, langfristig für „ein Grundeinkommen für alle, das existenzsichernd wirkt“ einzutreten. Innerhalb der Grünen wird das Grundeinkommen diskutiert. Die Grünen und Alternativen StudentInnen GRAS sagten in einer Orientierungshilfe zur ÖH-Wahl „Ja“ zu einem studentischen Grundeinkommen. Nationalrat Matthias Köchl (17.9.), Madeleine Petrovic (14.9.), Gruppen der Grünen Basis sowie die Jungen Grünen und Alternativen sprechen sich deutlich dafür aus und beteiligen sich an der Grundeinkommenswoche. Bundesweit haben die Piraten und seit Herbst 2014 auch die KPÖ (15.9.) das Grundeinkommen im Parteiprogramm. Bei „Wien anders“ steht das Bedingungslose Grundeinkommen an erster Stelle im 12-Punkte-Wahlprogramm. Die junge Wahlallianz beteiligt sich mit drei Veranstaltungen an der Aktionswoche (18.9., 19.9.).
Erstmals Beteiligung außerhalb Europas
International geht die Grundeinkommenswoche heuer das erste Mal über die Grenzen Europas hinaus, nämlich in die USA, nach Kanada, Indien und China.
BGE-„Entwicklungshelfer“ aus der Schweiz in Österreich
Der erste Einwand gegen das Grundeinkommen betrifft häufig die angebliche Faulheit der Menschen. Eine „Verschwörungstheorie“ nennt das Daniel Häni von der Schweizer Initiative Grundeinkommen. „Faul wird nur, wer keinen Sinn sieht“, meint der Unternehmer aus Basel, der heuer während der Grundeinkommenswoche für die Präsentation seines neuen Buches „Was fehlt, wenn alles da ist“ nach Wien kommt (18.9.). Die Schweiz ist Österreich in Sachen Grundeinkommen einen Schritt voraus. Häni ist einer der Hauptinitiatoren der erfolgreichen Volksinitiative, die dazu geführt hat, dass dort 2016 eine verbindliche Volksabstimmung über die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens stattfindet.
Pilotprojekte zum Grundeinkommen erstmals in Europa
Jüngste Ergebnisse einer Studie im ländlichen Indien bestätigen, was Häni sagt. Die Menschen werden mit einem garantierten Grundeinkommen nicht faul, so Guy Standing, Professor für Entwicklungsökonomie an der SOAS in University of London, der heuer der Einladung zum Forum Alpbach in Tirol folgte (20.-24.8.). Im Gegenteil: Die wirtschaftlichen Aktivitäten nahmen in den Dörfern des Pilotprojekts von Unicef und SEWA (Self-employed Women Association) zu. In den Niederlanden sind in einigen Städten – erstmals in Europa – für Herbst Pilotprojekte zum BGE in Planung.
Namibia: Grundeinkommensbefürworter in Regierung
In Brasilien wurde das Grundeinkommen bereits 2004 als Ziel in die Verfassung aufgenommen. Es soll je nach budgetären Möglichkeiten umgesetzt werden und viele Familien erhalten es schon. In Namibia sind seit Frühjahr 2015 zentrale Persönlichkeiten der Grundeinkommensbewegung in der Regierung, nämlich Zephania Kameeta als Minister für Armutsbekämpfung und Hage Geingob als Staatspräsident.
„Das Grundeinkommen ist keine luftige Utopie mehr. Eine erste landesweite Einführung rückt näher,“ so Klaus Sambor vom Runden Tisch – Grundeinkommen (Österreich) zuversichtlich.
PROGRAMM DER GRUNDEINKOMMENSWOCHE IN ÖSTERREICH
Kalender: http://www.pro-grundeinkommen.at/WdGE2015/Flyer_WdGE2015.pdf
Landkarte: http://pro-grundeinkommen.at/WdGE2015
Facebook: https://www.facebook.com/RTbGE/events
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=6c1jv4f9ZBs
RÜCKFRAGEHINWEIS FÜR DIE MEDIEN:
Klaus Sambor, klaus.sambor@aon.at, Tel: 0664-73 43 73 08
INFOBOX
Was ist das BGE?
Das Bedingungslose Grundeinkommen ist eine bedingungslose, finanzielle Zuwendung, die jedem Mitglied der Gesellschaft monatlich in existenz- und teilhabesichernder Höhe, ohne Rücksicht auf sonstige Einkommen, auf Arbeit oder Lebensweise als Rechtsanspruch zusteht und eine Krankenversicherung inkludiert.
Zur Geschichte der Woche des Grundeinkommens
Die 1. Internationale Woche des Grundeinkommens wurde 2008 im deutschsprachigen Raum initiiert. Im Jänner 2013 wurde in 14 Ländern die Europäische BürgerInnen-Initiatve Bedingungsloses Grundeinkommen (EBI BGE) gestartet und am Ende waren Grundeinkommensgruppen in 25 EU-Mitgliedsstaaten beteiligt. Die schweizerische Volksinitiative im selben Jahr war noch erfolgreicher. 2014 wird darauf aufbauend der neue europaweite Zusammenschlusses „Unconditional Basic Income Europe“ (UBI-Europe) gegründet und während der 7. Grundeinkommenswoche gibt es bereits Aktivitäten in 11 Ländern Europas (Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Österreich, Schweiz, Spanien, Tschechien, Ungarn). Das weltweite Grundeinkommensnetzwerk BIEN beteiligte sich mit einer Reihe von Online-Events mit Expert*innen aus aller Welt. 2015 wird sich die Internationale Grundeinkommenswoche zum ersten Mal mit Veranstaltungen in den USA, Kanada, Indien und China über die Grenzen Europas hinaus ausweiten.
Wer ist der Runde Tisch – Grundeinkommen?
Der Runde Tisch – Grundeinkommen (Österreich) ist ein Zusammenschluss von Vereinen und Menschen, die sich ehrenamtlich für die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens einsetzen.
LINKS
Internationale Woche des Grundeinkommens: http://basicincomeweek.org
Runder Tisch – Grundeinkommen: http://pro-grundeinkommen.at
Netzwerk Grundeinkommen und sozialer Zusammenhalt – B.I.E.N. Austria: http://grundeinkommen.at
UBI-Europe (Unconditional Basic Income Europe): http://basicincome-europe.org
BIEN – Basic Income Earth Network: http://www.basicincome.org
FOTOS
Design 8. Woche des Grundeinkommens
http://www.pro-grundeinkommen.at/WdGE2015/Plakate/WdGE2015-Cover.png Fotocredits: Wolfgang Sigut